Warum äußert die EZB sich zu Rechtsvorschriften der EU und der Mitgliedstaaten?
Als Zentralbank für den Euro verfügt die EZB über umfangreiches Expertenwissen. Daher müssen die Gesetzgeber der EU und der Mitgliedstaaten uns konsultieren, wenn sie neue Gesetze vorschlagen, die unsere Rolle betreffen könnten.
Dieses Verfahren ist in den Gründungsverträgen der EU festgelegt. Demnach können derartige Rechtsakte nur erlassen werden, wenn die EZB konsultiert wurde. Für gewöhnlich formulieren wir unsere Einschätzung in Form einer Stellungnahme, die vom EZB-Rat verabschiedet wird.
Was ist eine Stellungnahme der EZB?
Stellungnahmen sind ein Element unserer Beratungsfunktion. Sie sind nicht rechtsverbindlich. Wir geben Stellungnahmen ab, wenn uns EU-Institutionen oder nationale Stellen um unsere fachliche Meinung zu neuen Gesetzesvorschlägen bitten, die sich auf unsere Aufgaben auswirken könnten.
Wir geben z. B. eine Stellungnahme ab, wenn das Europäische Parlament oder der Rat der EU an neuen Rechtsvorschriften arbeiten, die uns und unsere Arbeit betreffen, wie etwa unsere Aktivitäten im Bereich der Aufsicht über die europäischen Banken oder aber den Betrieb und die Überwachung von Zahlungssystemen.
Wir können aber auch auf eigene Initiative eine Stellungnahme ausarbeiten, wenn wir der Auffassung sind, dass ein neues Gesetz Auswirkungen auf unsere Rolle haben könnte.
Beispiele für Stellungnahmen der EZB
In der Vergangenheit haben wir uns z. B. zu Gesetzen geäußert, die die Bargeldverwendung einschränken, um Geldwäsche und Steuerhinterziehung zu unterbinden. In den einschlägigen Stellungnahmen legen wir dar, ob die geplanten Gesetze mit dem Status von Geld als gesetzliches Zahlungsmittel vereinbar wären.
Ferner haben wir Stellungnahmen zu den Plänen von Mitgliedstaaten abgegeben, neue Abgaben für Banken einzuführen, da dies deren Fähigkeit, Unternehmen und Privatpersonen mit Krediten zu versorgen, beeinträchtigen könnte.
Die Stellungnahmen der EZB decken eine breite Themenpalette ab, wie z. B.:
Wirtschaftspolitische Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion Europas
- Kapitalanforderungen und Krisenmanagement für Banken
- Bargeldbeschränkungen
- Überwachung von Zahlungssystemen
- Clearing von Derivaten über zentrale Gegenparteien
- Governance der nationalen Zentralbanken
- Themen rund um den Internationalen Währungsfonds
- Kreditregister
- Umstrukturierung der Kreditportfolios von Banken
- Neue Steuern auf Bankengewinne
Wo finde ich die Stellungnahmen der EZB?
Transparenz ist unser Leitgedanke bei sämtlichen Aktivitäten. Daher veröffentlichen wir die verabschiedeten Stellungnahmen schnellstmöglich in EUR-LEX, teilweise auch im Amtsblatt der Europäischen Zentralbank und/oder auf unserer Website.
Stellungnahmen zu Gesetzesvorhaben der EU sind in allen Amtssprachen der EU abrufbar. Betrifft das Thema hingegen nur ein bestimmtes Land, so ist die Stellungnahme auf Englisch und in der bzw. den Landessprache(n) des betreffenden Staats verfügbar.
Was ist der Rechtsrahmen der EZB und welche anderen Rechtsakte können wir erlassen?
Unsere Ziele und Aufgaben sind im
- Vertrag über die Funktionsweise der Europäischen Union und in der
- Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank festgelegt.
Durch den Vertrag und die Satzung sind wir befugt, für unseren Zuständigkeitsbereich verschiedene Arten von Rechtsakten zu verabschieden. Die Rechtsakte sollen unsere Arbeit effektiver machen. Sie stärken überdies unsere Unabhängigkeit als Zentralbank.
Neben den Stellungnahmen gibt es noch folgende Rechtsakte der EZB:
- Verordnungen
- Beschlüsse
- Empfehlungen
Diese Rechtsakte unterscheiden sich in vielen wichtigen Punkten. Einige Rechtsakte sind verbindlich, geben also Regeln vor, die befolgt werden müssen. Andere sind hingegen nicht verbindlich und enthalten Empfehlungen oder detaillierte Erläuterungen zu einem bestimmten Sachverhalt. Einige Rechtsakte betreffen sehr spezifische Themen, andere sind allgemeiner Natur. Einige von ihnen richten sich an einzelne Länder, andere an den Euroraum in seiner Gesamtheit.