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Fabio Panetta
Member of the ECB's Executive Board
Valdis Dombrovskis
Executive Vice-President of the European Commission
  • DER EZB-BLOG

Warum Europa einen digitalen Euro braucht

28. Juni 2023

Beitrag von Fabio Panetta, Mitglied des Direktoriums der EZB, und Valdis Dombrovskis, Exekutiv-Vizepräsident der Europäischen Kommission

Wir brauchen den digitalen Euro, damit unser Währungssystem mit dem digitalen Wandel Schritt hält. Der digitale Euro wird weithin verfügbar und einfach zu handhaben sein. Gleichzeitig wird er die Privatsphäre der Menschen schützen – genau wie Bargeld.

Unsere Welt befindet sich im Wandel. Die Digitalisierung hat unsere Gesellschaft in einer Weise verändert, die wir uns vor zehn Jahren nur schwerlich hätten vorstellen können. Sie verändert auch unser Zahlungsverhalten: Die Menschen entscheiden sich immer häufiger für elektronische Zahlungsmittel. Die Corona-Pandemie hat dieses Umdenken beschleunigt.

Zentralbanken rund um den Globus arbeiten daran, das von ihnen bereitgestellte Geld, also das Bargeld, um eine digitale Variante zu erweitern: digitales Zentralbankgeld. Im Euroraum würde mit dem digitalen Euro eine elektronische Zahlungslösung angeboten, die wir alle überall kostenlos nutzen könnten.

Bargeld ist nach wie vor wichtig: Bei kleinen Besorgungen und bei Zahlungen zwischen Privatpersonen ist es noch immer die erste Wahl. Die meisten Menschen im Euroraum möchten auch künftig mit Banknoten und Münzen zahlen können. Darum werden die Europäische Kommission und die Europäische Zentralbank (EZB) alles daran setzen, dass Bargeld auch weiterhin in allen 20 Mitgliedsländern verfügbar ist und akzeptiert wird.

Fakt ist aber, dass in weiten Teilen der Welt – und auch hier in Europa – immer seltener bar bezahlt wird. Auf dem Weg zu einer wahrhaft digitalen Wirtschaft ist die Anpassung des Bargelds an das digitale Zeitalter der nächste logische Schritt.

Hätten wir beide Optionen – Euro-Bargeld und einen digitalen Euro – so könnten alle frei wählen, wie sie bezahlen möchten, und niemand würde digital abgehängt. Vor allem aber hätten die Menschen in Europa die Möglichkeit, im gesamten Euroraum, von Dublin bis Nikosia und von Lissabon bis Helsinki, digital zu zahlen.

Für Verbraucherinnen und Verbraucher wäre der digitale Euro mit vielen praktischen Vorteilen verbunden. Er wäre einfach zu handhaben und kostenlos. Überall im Euroraum könnten die Menschen mit dem digitalen Euro kostenlos bezahlen, etwa mithilfe einer digitalen Geldbörse oder per Smartphone. Die Zahlungen müssten nicht einmal online erfolgen, sie wären auch offline möglich.

Der Schutz der Privatsphäre wird beim digitalen Euro großgeschrieben. Die EZB würde weder die personenbezogenen Daten der Nutzerinnen und Nutzer zu sehen bekommen noch könnte sie Rückschlüsse auf deren Konsumverhalten ziehen. Bei einer Offline-Zahlung wäre die Privatsphäre außerdem besser geschützt als bei jeder anderen digitalen Zahlungsmethode, die aktuell verfügbar ist.

Mit einem digitalen Euro würden zudem die Gebühren sinken, die Verbraucherinnen und Verbraucher für Zahlungen entrichten, denn er würde den Wettbewerb in Europa beflügeln. Derzeit wickelt eine Handvoll internationaler Unternehmen zwei Drittel der digitalen Retail-Zahlungen Europas ab. Durch den regeren Wettbewerb kämen Händler und deren Kundschaft in den Genuss günstigerer Dienstleistungen.

Banken und anderen Zahlungsdienstleistern würde der digitale Euro einen Impuls für die Entwicklung neuer europaweiter Zahlungs- und Finanzdienstleistungen geben und sie zu Innovationen anregen. So könnten sie besser mit großen nicht europäischen Finanz- und Technologieunternehmen konkurrieren. Es gäbe Leitplanken für den digitalen Euro, etwa eine Begrenzung des Guthabens. Dadurch soll vermieden werden, dass es zu erheblichen Abflüssen von Bankeinlagen kommt. Allerdings wären auch Zahlungen über den definierten Höchstbetrag hinaus möglich, und zwar über eine Verbindung zwischen der digitalen Geldbörse und dem Bankkonto der jeweiligen Person.

Der digitale Euro brächte auch erhebliche strategische Vorteile. Als größter Binnenmarkt der Welt kann es sich Europa nicht leisten, einfach nur zuzusehen, wie andere Länder an ihm vorbeiziehen. Könnten andere Zentralbankwährungen in größerem Stil für grenzüberschreitende Zahlungen genutzt werden, würden wir riskieren, dass der Euro – gegenwärtig die weltweit zweitwichtigste Währung nach dem US-Dollar – ins Abseits gerät. Außerdem könnte es dann dazu kommen, dass der Euro stärker mit Zahlungsalternativen wie globalen Stablecoins konkurrieren muss. Dies könnte letztlich unsere monetäre Souveränität und die Stabilität des europäischen Finanzsektors gefährden.

In einer Zeit, in der wir aufgrund zunehmender geopolitischer Spannungen anfälliger für Angriffe auf unsere kritische Infrastruktur sind, würde ein digitaler Euro auch die Integrität und Sicherheit des europäischen Zahlungssystems verbessern. Ein System, das sich auf eine europäische Infrastruktur stützt, wäre besser gegen Störungen, einschließlich Cyberangriffe und Stromausfälle, gewappnet.

Wir stehen noch am Anfang dieses spannenden neuen Projekts. Die Europäische Kommission wird heute ihren Gesetzesvorschlag vorlegen. Diesen Herbst wird die EZB ihre Untersuchungsphase zum Design und zur Verteilung des digitalen Euro abschließen. Danach wird sie entscheiden, ob sie zur Vorbereitungsphase übergehen wird. In dieser Phase würde die neue digitale Währung entwickelt und getestet.

Zentralbankgeld stärkt unser Vertrauen in alle Geldformen sowie in die Stabilität und Widerstandsfähigkeit unseres Zahlungssystems. Es ist der Anker des europäischen Finanzsystems und der Währungsunion. Bei einem digitalen Euro bliebe die Rolle von Zentralbankgeld erhalten, denn ungeachtet seiner Form – bar oder digital – ist und bleibt ein Euro stets ein Euro.

Unser Währungssystem, in dessen Zentrum unsere gemeinsame Währung steht, muss mit dem digitalen Wandel Schritt halten. Das ist unser Ziel und darauf arbeiten wir hin.

Dieser Blogbeitrag wurde in mehreren europäischen Zeitungen veröffentlicht.